Südwind: Wann haben Sie zu arbeiten begonnen?
Kalpona Akter: Das war 1988, in einer Textilfabrik, da war ich gerade zwölfeinhalb Jahre alt. Als ich dann später begann, eine Gewerkschaft zu organisieren, wurde ich gefeuert. Heute gibt es immer noch keine Gewerkschaft dort. Sie haben jetzt aber etwas, das sie „Beteiligungskomitee“ nennen. Das ist zwar keine wirkliche Gewerkschaft, doch das Komitee hat eine gewisse Verhandlungskapazität.
Wäre es auch heute noch schwierig, eine Gewerkschaft zu gründen?Ja, immer noch. Es gibt zwar das Gesetz, das die Gründung erlaubt, doch wenn man das tun will, wird man entlassen. Sie leugnen, dass dies der Grund wäre, doch in Wirklichkeit ist es so. Manchmal werden die Initiatoren sogar krimineller Aktivitäten beschuldigt.
Wenn man vor Gericht geht und die Gewerkschaftsgründung einklagen will, so bekommt man alle möglichen Hindernisse in den Weg gelegt und der Prozess wird ständig verzögert. Die Regierung steht immer auf der Seite der Unternehmer.
Doch es gibt ja zahlreiche Gewerkschaften im Land.Wir haben über 4.700 Textilbetriebe in Bangladesch. Auf dem Papier gibt es wohl 120 Gewerkschaften, doch nur 25 von ihnen sind wirklich aktiv. Die haben lange gekämpft, bis sie anerkannt wurden.
Meiner Meinung nach sind die größten Probleme der Beschäftigten die niedrigen Löhne und die fehlende Vereinigungsfreiheit. Was tut ihr in Bangladesch, um die Situation zu verbessern?Seit dem Jahr 2000 arbeite ich bei BCWS, dem Bangladesh Center for Workers Solidarity, das ist eine Nichtregierungsorganisation, die sich für Arbeitsrechte einsetzt. Ich bin dort die Geschäftsführerin.
Wir haben eine landesweite Plattform von Organisationen, die auf die Regierung Druck ausübt, um den Mindestlohn anzuheben. Und dann arbeiten wir mit internationalen Initiativen wie der Clean Clothes Kampagne zusammen, damit die Druck auf die Marken und Handelsketten ausüben und ihren Zulieferern mehr bezahlen, damit die uns besser entlohnen.
Außerdem beraten wir die Arbeiterinnen und Arbeiter über ihre Rechte, damit sie diese auch ausüben.
Asia Floor Wage Campaign
In Asien ist eine Kampagne zur flächendeckenden Einführung eines existenzsichernden Mindestlohns schon weit fortgeschritten. Das erste Treffen fand im Mai 2007 in Dakka, Bangladesch, statt, doch legte der bald darauf ausgerufene Ausnahmezustand die Vorbereitungen in diesem Land auf Eis.
Im vergangenen Oktober trafen einander in Hongkong beim dritten Treffen Delegierte von Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen aus Asien, Europa und den USA, um die Parameter für den existenzsichernden Lohn (living wage) festzulegen.
Dieser asiatische Grundlohn soll für die ganze Branche der Textil- und Bekleidungsindustrie gelten und liegt weit über dem Mindestlohn, da er nicht nur Ausgaben für Ernährung, sondern auch für Gesundheit, Bildung, Kultur und einen Spar-Anteil umfasst. In Hongkong wurde ein Lenkungsausschuss gebildet, in dem auch die internationale Clean Clothes Kampagne vertreten ist.
Am 7. Oktober 2009 wird die Kampagne gleichzeitig in mehreren asiatischen Staaten öffentlichkeitswirksam lanciert.
Werner Hörtner
Arbeitet ihr auch bei der Asia Floor Wage Campaign mit?Ja, wir fangen jetzt wieder an. Während des Ausnahmezustands konnten wir zwei Jahre lang nichts tun, doch nun tun wir wieder mit. Bei uns in Bangladesch sind aber noch nicht viele Organisationen dabei.
Wenn das wirklich klappt, so wird das eine tolle Geschichte, denn wenn überall existenzsichernde Löhne gezahlt werden, dann haben die Unternehmen keine Möglichkeit mehr, in anderen Ländern billigere Produzenten zu suchen.
Haben Sie den Eindruck, dass sich die Situation in der Bekleidungsindustrie in der nächsten Zeit verbessern wird?Sie hat sich bereits deutlich verbessert in den letzten zehn Jahren. Ich hoffe, dieser Trend wir auch weiter anhalten, denn die Organisationen werden immer aktiver.
Und glauben Sie, dass die neue Regierung, die seit Jänner im Amt ist, etwas zur Verbesserung der Produktionsbedingungen beitragen wird?Ich glaube schon. Wir haben ja seit Jänner eine neue Regierung. In ihrem Programm hat sie ausdrücklich die Bekleidungsindustrie erwähnt, dass die Löhne reformiert werden sollen. Wir müssen auf die Entscheidungsträger Druck ausüben, damit das auch umgesetzt wird.
Was hat Sie bei Ihren Veranstaltungen in Österreich am meisten beeindruckt?Die Schüler! Die sind unglaublich! Sie sind noch so jung und ergreifen schon engagiert Initiativen, um die Arbeitsbedingungen bei uns zu verbessern. In Salzburg war es eine große Gruppe von Schülerinnen und Schülern von Modeschulen, interessierten Privatpersonen und Aktivisten.
Kalpona Akter kam im März auf Einladung von Südwind nach Österreich und hielt Veranstaltungen in Innsbruck und Linz ab. In Salzburg traf sie auf einem zweitägigen Seminar mit 120 ModeschülerInnen und Interessierten zusammen. Mehr dazu auf www.cleanclothes.at